Der himmelblaue See
glitzert in der hellen Wintersonne. Der weiße Sand blendet beinahe in den Augen. Am fernen Horizont liegt ein Schiff vor Anker. Im Hintergrund summen leise – schwere Maschinen. Statt Palmen ragen zwei dicke Stahlrohre über die Sandbank am Ufer. Schwimmen? Lebensgefährlich. Der weiße Sand? Chemisch reinster Quarzsand. Der blaue See? Ohne Algen, weil das Wasser unablässig in Bewegung ist. Das Schiff? Gewinnt in 40 Metern Tiefe den Sand und erzeugt einen Sog, der für einen badenden Menschen gefährlich werden würde. So viel zur Idylle. Auch wenn das Gelände des Quarzwerks Baums an der Bruchstraße in Lette keineswegs ein Badeparadies ist, ein besonderer Ort ist es trotzdem.
An nur zwei Händen ist deutschlandweit abzählbar, wie viele andere Standorte es mit diesem reinen Quarzsand gibt. „Bis zu 450 000 Tonnen gewinnen wir im Jahr. Wenn die Gewinnung für Flächen, die hier jetzt noch nicht erschlossen sind, genehmigt werden würde, hätten wir noch Ressourcen für 110 Jahre. Dann ist die Lagerstätte leer“, zeigt Geschäftsführer Julius Jansen die Bedeutung des Werkes in den Haltener Sanden auf. Mal eben auf die andere Straßenseite ziehen, das geht nicht. „Deutschlandweit sind alle möglichen Lagerstätten erfasst. Wenn die heimischen Ressourcen erschöpft sind, rückt Osteuropa in den Fokus. Dort gibt es vergleichbar reine industriefähige Quarzsandlagerstätten.“ Und der wird für viele Dinge gebraucht. Für die klassische Glasherstellung zum Beispiel. „Denn ein hoher Eisenanteil im Sand kann das Glas grünlich oder bräunlich färben. Dies ist besonders unerwünscht bei der Herstellung von klarem oder farblosem Glas“, so Julius Jansen. Oder für Gießereien in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder den Niederlanden. „Mit dem Sand werden komplizierte Maschinenteile gegossen. Sei es der Rotor einer Waschmaschine oder große Elektromotoren.“ Die Bauchemie braucht den Quarzsand ebenfalls für Mörtel, Fliesenkleber und Co. „Wenn da auch nur kleinste Partikel drin sind, zum Beispiel Kohle, fallen die Fliesen irgendwann wieder von der Wand, wenn die Kohle verwittert“, erklärt der Geschäftsführer. Aber auch für den Sportund Freizeitbereich mit Reitund Spielplätzen bereitet das Quarzwerk den Sand auf sowie für die Baubranche. „Selbst Dubai muss für den Bau Sand importieren.“ Sand ist eben nicht gleich Sand.
Aufgenommen vom ersten Schiff in 40 Metern Tiefe wird der Quarzsand mittels Wasser über Rohre zu einer Unterwasserhalde geleitet. Dort wird der Sand auf eine Sandbank gespült, anschließend von einem zweiten Schiff aufgenommen und in die angrenzende Aufbereitungshalle geleitet. Der Sand wird in einem besonderen industriellen Verfahren aufbereitet und in fünf Standardsorten klassiert. Je nach Produkt- und Kundenanwendung braucht es eine andere Zusammensetzung der Korngrößenverteilung. „Anschließend wird der Sand teils getrocknet und kommt in unsere 21 Silos, die jeweils 500 Tonnen fassen“, erklärt Jansen vereinfacht den Prozess, der fast schon vollautomatisiert über Anlagen läuft. Gerade einmal ein knappes Dutzend Mitarbeiter arbeiten in der Produktion, überwachen die Maschinen und Schiffe und halten sie Instand. Gearbeitet wird von 6 bis 20 Uhr, am Wochenende bleibt es ruhig. Zwischen 30 und 80 Lkw kommen am Tag, um Sand abzuholen. „Die Lkw für die Glashütten beladen wir im Schnitt in eineinhalb Minuten. Das muss schnell gehen, die Produktion darf dort nicht zum Erliegen kommen, sonst gehen die Glaswannen kaputt. Bei feuchtem Sand dauert die Beladung maximal fünf Minuten, bei trockenem zwischen fünf und acht Minuten.“ Von der Lagerstätte wird wirklich alles verwertet, betont Jansen. Bis 2061 hat das Quarzwerk zunächst eine Betriebsgenehmigung, aktuell gibt es bereits erste Rekultivierungsflächen auf denen auch Bienenvölker leben. So gibt es dort nicht nur reinsten Sand, sondern auch feinsten Honig.
Entdeckung: Die Lagerstätte an der Bruchstraße wurde eher zufällig entdeckt. „Die Firma Baums hatte früher Betonwerke in der gesamten Region, diese gibt es aber heute nicht mehr. Einer der Geschäftsführer war hier vor Ort, weil eine Sandgrube für den Bau der A31 entstehen sollte“, so Geschäftsführer Julius Jansen. Dies kam jedoch nie zum Tragen. „Dabei wurde festgestellt, dass der Sand hier hervorragend für die Glasherstellung geeignet ist.“ Seit 1996 läuft das Werk.
Von Jessica Demmer